Faire Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und weniger Bürokratie für Pflegekräfte:
bad e.V.: „Die Probleme in der Pflege sind deutlich vielfältiger, als die vom Patientenbeauftragten benannten Punkte!“
Essen, 17. Februar 2017. Der Bundesverband Ambulante Dienste und Stationäre Einrichtungen (bad) e.V. stellt sich grundsätzlich hinter den Aufruf des Patientenbeauftragten, Staatssekretär Karl-Josef Laumann, den er in einem Brief an alle Pflegeeinrichtungen in Deutschland geäußert hat: Darin hat er den Einrichtungen zunächst zu Recht für ihr großes Engagement gedankt und sie dazu aufgefordert, die Attraktivität von Pflegeberufen zu steigern, insbesondere durch faire Löhne, weniger Bürokratie bei der Pflegedokumentation und Beschäftigung von Mitarbeitern in Vollzeit.
Gleichzeitig ist man beim bad e.V. aber davon überzeugt, dass die maßgeblichen Probleme in der Pflege-Branche nicht von den Leistungserbringern allein gelöst werden können.
„Der bad e.V. unterstützt ganz ausdrücklich das Anliegen von Staatssekretär Laumann, die sich durch die Pflege-Stärkungsgesetze ergebenen neuen rechtlichen Rahmenbedingungen bestmöglich zu nutzen, um die Pflegeberufe attraktiver zu machen“, betont zunächst Andreas Kern, 1. Vorsitzender des Bundesvorstands des bad e.V.
Der bad e.V. fordert in seinen Rahmen- und Vergütungsverhandlungen mit den gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen auf Landesebene schon seit Jahren, die Pflegeberufe durch entsprechende Ausgestaltung der Verträge der Selbstverwaltung attraktiver zu machen.
„Vor diesem Hintergrund freuen wir uns, wenn maßgebliche politische Akteure diese Notwendigkeit ebenso sehen, und können zusagen, eine Umsetzung dieses Ziels in den Verhandlungen weiter aktiv vorantreiben zu wollen“, kommentiert Kern.
Er dämpft jedoch den Optimismus und glaubt nicht an eine Trend-Wende: „Nach unserer Erfahrung haben nicht nur mangelnde rechtliche Rahmenbedingungen in der Vergangenheit dazu geführt, dass der Versuch einer Aufwertung der Pflegeberufe durch die Gestaltung der Rahmen- und Vergütungsvereinbarungen gescheitert ist. Vielmehr fehlte auf Kostenträgerseite die grundsätzliche Bereitschaft, mit den Vereinbarungen der Selbstverwaltung eine relevante Aufwertung der Pflegeberufe anzustreben. Hier ist man – auch zulasten der Attraktivität der Pflegeberufe – um Kostenminimierung bemüht. Daran hat sich in unserem Verhandlungsalltag – auch nach dem Bekanntwerden der Neuregelungen der Pflege-Stärkungsgesetze – bislang leider nichts geändert. Vor diesem Hintergrund muss bezweifelt werden, ob die jüngsten Gesetzesänderungen hier noch zu einem grundlegendem Umdenken führen werden.“
Die Pflegekassen müssen ihren Teil zur Verbesserung der Situation beitragen
Ein solches wäre für die Erfüllung der Forderung von Laumann, so Andrea Kapp, Bundesgeschäftsführerin des bad e.V., aber zwingend erforderlich:
„Die neuen gesetzlichen Vorgaben stellen einen Rahmen dar, der Möglichkeiten zur Verbesserung der Attraktivität der Pflegeberufe eröffnet. Diese Möglichkeit können die Leistungserbringer aber nicht alleine nutzen. Da die rechtlichen Rahmenbedingungen der Kostenträgerseite noch immer viel Spielraum lassen, ist ein gemeinsamer Wille unerlässlich, durch Vertrags- und Pflegepreisgestaltung Pflegeberufe aufzuwerten. Insofern würden wir es begrüßen, wenn der Appell von Herrn Laumann ebenfalls an unsere Vertragspartner gegangen wäre. Ungeachtet dessen sehen wir unsere Vertragspartner hier zukünftig in der Pflicht.“
„Wer z.B. für Leistungen von Pflegefachkräften nur Preise bezahlt, die vertraglich für eine Leistungserbringung durch Hilfskräfte vorgesehen sind und auf einem entsprechend niedrigen Niveau liegen, bei dem ist ein angebliches Interesse an einer Aufwertung der Pflegeberufe allenfalls ein politisches Lippenbekenntnis!“, kritisiert auch Andreas Kern gesetzliche Kostenträger und verweist u.a. auf Vergütungs-Vorgaben der AOK Plus in Sachsen: Dort werden den Einrichtungen Verträge, nach denen auch Hilfskräfte eingesetzt werden können, nur dann gewährt, wenn die Einrichtungen auch beim Einsatz von Pflegefachkräften für Arbeiten aus der entsprechenden Leistungsgruppe eine Vergütung auf dem Hilfskraft-Niveau akzeptieren.
Vollzeitstellen sind jederzeit möglich
Anders bewertet der bad e.V. dagegen die Forderung Laumanns, Pflegekräften in Ostdeutschland vermehrt Vollzeitstellen anzubieten, wenn diese das wünschen. „Das ist nach der Rückmeldung unserer Mitgliedseinrichtungen für diese in der Praxis – auch in Ostdeutschland – kein Problem. Wenn Pflegefachkräfte mehr Stunden arbeiten möchten, können die bad-Mitglieder ihnen das natürlich ermöglichen“, versichert Kern. „Das Problem ist doch ein anderes: Aufgrund des Fachkräftemangels in der Pflege haben unsere Mitglieder weniger Pflegefachkräfte als benötigt. Jede Fachkraft, die mehr Stunden arbeiten möchte, ist insofern höchst willkommen!“ Allerdings sei die Nachfrage gar nicht so hoch, weil die Stoßzeiten der Arbeit – der frühe Morgen und der Abend – den bei vielen Pflegekräften ungeliebten Teildienst provozieren. „Doch wir müssen die Leute ja dann versorgen, wann sie es wünschen.“
Noch anders ist die Situation bei Pflegehilfskräften, weil diese laut den Vorgaben der Krankenkassen je nach Vertrag entweder keine Leistungen der häuslichen Krankenpflege oder zumindest viele Leistungen nicht erbringen dürfen und deshalb – trotz Fachkräftemangels – wenn überhaupt dann nur sehr eingeschränkt einsetzbar sind.
Entbürokratisierung ist ein Erfolgsmodell
Für die Entbürokratisierung der Pflegedokumentation und die Umsetzung des entsprechenden Strukturmodells in der Praxis – die Laumann ebenfalls gefordert hat – versichert der bad e.V. breite Unterstützung: „Sehr viele Einrichtungen haben sich bereits auf den Weg der Umstellung gemacht und machen die entbürokratisierte Pflegedokumentation schon jetzt zu einem Erfolgsmodell. Der bad e.V. wird auch in Zukunft bei den Pflegeeinrichtungen dafür werben, dass dieser Siegeszug weitergeht, und diesen aktiv begleiten“, kommentiert Kern. „Wir haben aber auch Verständnis für die Einrichtungen, die aufgrund weitreichender gesetzlicher Änderungen und den hierdurch erforderlichen vielfachen Umstellungen (z. B. bei „Pflegestufen“ auf „Pflegegrade“ sowie auf das neue Begutachtungsinstrument) sich dafür entschieden haben, parallel hierzu nicht auch noch ihre Pflegedokumentation umzustellen. Jeder Träger muss jetzt und in Zukunft die unternehmerische Freiheit haben, selbst zu entscheiden, ob und wann sein Betrieb ein weiteres ambitioniertes Projekt stemmen kann.“
Politik bleibt in der Pflicht!
„Soweit Staatssekretär Laumann in seinem Schreiben behauptet, dass die Politik nun die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen habe und die Erreichung des Ziels, Pflegeberufe attraktiver zu machen, ausschließlich an der Umsetzung beschlossener Gesetzesänderungen durch die Pflegeeinrichtungen hänge, muss ich dem vehement widersprechen!“, stellt Kern fest.
„Das dem nicht so ist, zeigt bereits die Reaktion unserer Mitglieder, die Staatssekretär Laumann auch ganz direkt zurückgeschrieben haben, um ihm zu berichten, welche Probleme Pflegeeinrichtungen und ihre Mitarbeiter im Alltag tatsächlich plagen. Diese Probleme sind deutlich vielfältiger, als der Patientenbeauftragte es in seinem Schreiben thematisiert. Und sie werden nicht abschließend gelöst, auch wenn unsere Mitglieder den Forderungen von Staatssekretär Laumann entsprechen. Die bisherigen Maßnahmen des Gesetzgebers können allenfalls ein erster Schritt auf einem langen Weg sein, wenn man eine deutliche Aufwertung der Pflegeberufe erreichen will. Wenn dies den politisch verantwortlichen Akteuren nicht bewusst ist, wird sich u.a. der Fachkräftemangel in der Pflege, der eine maßgebliche Ursache für die großen Belastungen der vorhandenen Pflegekräfte ist, zwangsläufig noch deutlich verschärfen. Das dies eine Steigerung der Attraktivität des Berufs nicht zulassen würde, liegt auf der Hand.“