1. Pflege ausstatten, wie die Menschen sie brauchen!
- Aktueller Status
- Das geschieht, wenn nichts geändert wird
- Lösungsmöglichkeiten & Forderungen des bad e. V
- ➤ Sachleistungsbeträge kurzfristig deutlich erhöhen und regelmäßig prospektiv anheben
- ➤ Pflege-Vollversicherung langfristig einführen
- ➤ Pflegesachleistungen für alle Pflegebedürftigen vorsehen
- ➤ Investive Aufwendungen vollständig übernehmen
- Pflege in Deutschland menschenwürdig und zukunftssicher gestalten!
Aktueller Status
Die Leistungen der Pflegeversicherung sind der Höhe nach beschränkt. In der Praxis reichen diese Leistungen regelmäßig nicht aus. Versicherte müssen deshalb oft erhebliche Summen zuzahlen. Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1 haben keinen Anspruch auf Pflegesachleistungen nach dem SGB XI. Nur Pflegebedürftigen mit einem der Pflegegrade 2 bis 5 stehen Sachleistungsansprüche in unterschiedlicher Höhe zu.
Investive Aufwendungen von Pflegeeinrichtungen werden von der Pflegeversicherung nicht übernommen, sondern regelmäßig vom Pflegebedürftigen selbst bezahlt. Die Bundesländer haben sich systematisch aus der Objektförderung vollstationärer Pflegeeinrichtungen zurückgezogen. Bewohnerbezogene Förderungen („Pflegewohngeld“) erhalten demgegenüber nur Pflegebedürftige, die bestimmte Einkommens- und Vermögensgrenzen nicht überschreiten und folglich wegen eingeschränkter finanzieller Leistungsfähigkeit die Aufwendungen nicht aus eigenem Einkommen finanzieren könnten und andernfalls auf Sozialhilfe angewiesen wären. Es verbleiben somit lediglich Förderungen ambulanter und teilstationärer Versorgungsformen, das aber wiederum nicht in allen Bundesländern.
Die Kosten für Pflegeleistungen steigen stetig an und überfordern bereits viele Versicherte. Zur Entlastung der Pflegebedürftigen erfolgten 2024 und 2025 nur geringe Anhebungen der Leistungen der Pflegeversicherung, die die tatsächlichen, erheblichen Kostensteigerungen nicht vollständig kompensieren konnten. So erhöhen sich die Leistungen der Pflegeversicherung z. B. zum 01.01.2025 um 4,5 %, das regional übliche Entgeltniveau der Pflegekräfte steigt jedoch zum gleichen Zeitpunkt je nach Bundesland um mehr als 10 % an (Quelle: gkv-spzienverband).
Die finanziellen Belastungen der Versicherten ufern durch die Tariftreuepflicht nicht nur einmalig, sondern kontinuierlich aus. Pflege wird so zunehmend zum Armutsrisiko, und Pflegebedürftige bedürfen immer häufiger Leistungen der Sozialhilfe. Gleichzeitig ist die vollständige und zeitnahe Refinanzierung der höheren Kosten für die Pflegeeinrichtungen bislang völlig unzureichend, was deren Fortbestand vermehrt gefährdet und Insolvenzen bewirkt.
Das geschieht, wenn nichts geändert wird
Die Leistungen ambulanter und teilstationärer Pflegeeinrichtungen werden allein aus finanziellen Gründen in Zukunft in geringerem Maße in Anspruch genommen, was zu einer deutlichen Zunahme der Belastung für Pflegebedürftige und deren pflegende Angehörige wird. Neben den negativen Auswirkungen
für die betroffenen Menschen sind weitere negative Entwicklungen für den Arbeitsmarkt zu befürchten, da pflegende Angehörige dem Arbeitsmarkt schon heute nicht mehr uneingeschränkt zur Verfügung stehen.
Ambulant versorgte Pflegebedürftige müssen immer höhere Zuzahlungen leisten oder auf dringend benötigte Pflegeleistungen verzichten. Der festgestellte Bedarf an pflegerischer Versorgung wird zu einem noch geringeren Teil durch professionelle Pflege gedeckt. Auch diese zusätzlich entstehende Lücke muss durch Angehörige geschlossen werden, die gegebenenfalls dadurch dem Arbeitsmarkt fehlen.
In der teilstationären Pflege müssen Tagespflegegäste ihre Besuchstage auch zu Lasten der Angehörigen reduzieren. Nur finanzkräftige Versicherte werden die Leistungen aus eigenen Mitteln finanzieren
können.
In der Konsequenz werden die oben beschriebenen Entwicklungen dazu führen, dass noch mehr Versicherte als bislang ihre ambulante Versorgung nicht aufrechterhalten können, weil der für sie verbleibende Mix an Pflegeversicherungsleistungen hierfür nicht mehr ausreicht. Der im SGB XI normierte Grundsatz „ambulant vor stationär“ (Sozialgesetzbuch) wird so in der Praxis zunehmend ausgehöhlt werden.
Aber auch Pflegebedürftige in stationären Pflegeeinrichtungen werden mit größeren finanziellen Belastungen konfrontiert. Schon jetzt (Stand 01.07.2024) zahlen diese bundesdurchschnittlich im Monat einen Eigenanteil von 2.871 Euro im ersten Aufenthaltsjahr, sodass viele Pflegebedürftige bereits heute
am Ende ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit angelangt sind (Quelle: vdek). Die zusätzlichen Kosten werden ohne Systemwechsel zukünftig noch mehr Bewohnende wirtschaftlich überfordern, mit der Konsequenz, dass immer mehr von ihnen auf Sozialhilfe angewiesen sein werden.
Lösungsmöglichkeiten & Forderungen des bad e. V
Pflege ausstatten, wie die Menschen sie brauchen!
➤ Sachleistungsbeträge kurzfristig deutlich erhöhen und regelmäßig prospektiv anheben
Der bad e. V. fordert, die Sachleistungsbeträge unverzüglich entsprechend der Kostensteigerungen anzuheben und dies auch für die Zukunft sicherzustellen.
Eine Anpassung der Sachleistungsbeträge des SGB XI an die real erfolgten und zukünftigen Kostensteigerungen ist unumgänglich, um die oben beschriebene Fehlentwicklung zu korrigieren. Eine nur teilweise Kompensation der finanziellen Mehrbelastungen ist nicht ausreichend. Alle Pflegesachleistungen müssen ihrer Höhe nach zeitnah so ausgestaltet werden, dass zukünftig ein jeder Pflegeversicherter seine pflegerische Versorgungsform entsprechend seinen individuellen Bedürfnissen finanzieren und wählen kann. Gute Pflege darf nicht länger von den finanziellen Mitteln des Einzelnen abhängig sein.
Neben der sofortigen Kompensation von Kosten, die in der Vergangenheit bereits eingetreten sind, bedarf es verbindlicher Regelungen, dass zukünftige Ausgaben ebenfalls vollständig bei der Entwicklung der Sachleistungsbeträge berücksichtigt werden. Dies darf – anders als bislang in § 30 SGB XI vorgesehen – nicht nur durch nachträgliche Erhöhungen geschehen, sondern muss absehbare Steigerungen zukunftsgewandt regeln, damit die angepassten Leistungen den Versicherten in dem Zeitraum zur Verfügung stehen, in dem sie ihrer auch tatsächlich bedürfen. Nach Durchführung dieser „Akutmaßnahmen“ bedarf es weiterer Änderungen im System.
➤ Pflege-Vollversicherung langfristig einführen
Die Soziale Pflegeversicherung ist letztlich in eine Vollversicherung weiterzuentwickeln.
Die pflegerische Versorgung muss sich künftig an den pflegerischen Bedarfen ausrichten. Die festgestellte Fehlentwicklung ist maßgeblich auf das aktuell geltende „Teilkasko-Prinzip“ der Pflegeversicherung zurückzuführen. Eine vollständige Übernahme der tatsächlichen Ausgaben für eine bedarfsgerechte Pflege ist im Sinne einer „Pflege-Vollversicherung“ sicherzustellen.
Die hiermit einhergehenden Änderungen sind weitreichend. Sie sind aus Sicht des bad e. V. jedoch notwendig, um eine bedarfsgerechte Versorgung der Pflegebedürftigen, unabhängig von deren finanziellen Verhältnissen, zu gewähren. Systemgerecht kann eine soziale Pflegeversicherung der Zukunft zudem nur dann sein, wenn sie der sonst
üblichen Systematik der Sozialgesetzbücher entspricht. Dies wäre mit der Vollversicherung der Fall. Verfügung stehen, indem sie ihrer auch tatsächlich bedürfen. Nach Durchführung dieser „Akutmaßnahmen“ bedarf es weiterer Änderungen im System.
➤ Pflegesachleistungen für alle Pflegebedürftigen vorsehen
Allen Pflegebedürftigen mit Pflegegrad 1 sind ambulante und (teil-)stationäre Sachleistungen sowie Leistungen der Verhinderungs- und Kurzzeitpflege zu gewähren.
Auch Versicherte mit dem Pflegegrad 1 benötigen oft Leistungen der körperlichen Pflege, Hilfen bei der Haushaltsführung sowie pflegerische Betreuung. Die einzige Möglichkeit, diese Leistungen in Anspruch zu nehmen, ist aktuell der Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI. Dieser sieht ab 2025 ein nicht ausreichendes, monatliches Budget in Höhe von 131 Euro vor.
Des Weiteren sind hier häufig pflegende Angehörige involviert, die aufgrund eigener Verpflichtungen nicht jederzeit die häusliche Pflege leisten können. Um die gebotene Gleichbehandlung zu gewährleisten, sind auch Versicherten mit dem Pflegegrad 1 alle Sachleistungsansprüche der ambulanten, teil- und vollstationären Pflege einzuräumen, bis eine Pflege-Vollversicherung eingeführt wird.
➤ Investive Aufwendungen vollständig übernehmen
Pflegebedürftige sollten nicht mehr zur Refinanzierung von investiven Aufwendungen herangezogen werden. Hier ist die öffentliche Hand allein in die Pflicht zu nehmen.
Die investiven Aufwendungen von Pflegeeinrichtungen sind zukünftig ohne eine direkte finanzielle Beteiligung der Pflegebedürftigen zu refinanzieren. Investitionen in Pflegeeinrichtungen sind für deren Erhalt und Weiterentwicklung notwendig.
Sie sind im Rahmen der Daseinsvorsorge von staatlicher Seite zu
refinanzieren, um eine leistungsstarke Pflegeinfrastruktur zu gewährleisten. Es bedarf insoweit einer bundesweit verbindlichen Vorgabe, die eine vollständige Übernahme der Investitionskosten durch die Bundesländer und Pflegekassen sicherstellt.